von Dr. Johannes Rothmund (Januar 2021)

Der Bürgerverein wurde am 27.01.1974 gegründet – als Protestverein! Genaugenommen ging der Vereinsgründung eine Bürgerinitiative voraus, die sich „Aktion Bürgerwille“ nannte. Ende 1973 hatte sich diese Aktion gegen die Ausweisung des Flugplatzes in Poltringen als „Sonderlandeplatz“ gerichtet. Und sich gleich mit dem jungen Ammerbucher Bürgermeister angelegt, was dem „Bürgerverein Ammerbuch“ später stets eine gewisse Skepsis seitens der Ammerbucher Gemeindeverwaltung einbrachte. Dabei kann man die Aufgeregtheit der Bürger damals gut nachvollziehen, wenn man sich vor Augen hält, dass in dieser Zeit die Baden-Württembergische Landesregierung für den Landesflughafen in Echterdingen einen alternativen Standort suchte und Ideen eines Großflughafens im Schönbuch oder eines Flughafens auf der Höhe zwischen Tailfingen und Hailfingen ernsthaft diskutiert wurden. Insbesondere letzterer Standort, der als Nachtjägerflugplatz während des zweiten Weltkriegs schon den Missmut vieler Bewohner des Ammertals und des oberen Gäus erregt hatte, war damals noch mit sehr negativen Erinnerungen verbunden (siehe auch: Mall, V.; Roth, H.: Flugplatz und KZ-Außenlager Hailfingen-Tailfingen).
Gleich nach der Gründung des Vereins, also im Verlauf des Jahre 1974 bahnte sich neuer Grund zum Protest an: der Kreis Böblingen plante auf dem alleräußersten Zipfel seines Kreisgebiets, zwischen der neueröffneten Autobahn A 81 und dem westlichen Ortsrand von Altingen ein Müllkompostierungswerk. Die Herrenberger Kläranlage, die sich schon an diesem Ort befand und damals häufig wegen übler Gerüche in der Kritik stand, sollte in ein Gesamtkonzept einbezogen werden. Besichtigungen von Altinger Bürgern bei bereits bestehenden Müllkompostieranlagen (die Dusslinger Anlage befand sich erst in der Planung) machten zweifelsfrei klar, dass man so etwas auf keinen Fall direkt in der Hauptwindrichtung haben wollte. Im November 1974 gründete sich aus dem Bürgerverein heraus die Altinger „Müllaktion“ gegen dieses Kompostwerk.
Insofern verwundert es nicht, dass von den Gründungsmitgliedern die Hälfte Poltringer, ein Drittel Altinger und 15% Reustener waren. Aus den Ortsteilen Entringen, Pfäffingen und Breitenholz fanden erst sehr viel später Mitglieder zum Bürgerverein.
Nach den sehr ereignisreichen Jahren der „Müllaktion“, in denen sich Altinger Alt- und Neubürger z.B. bei einigen legendären „Müllfasnet“-Veranstaltungen näher kamen, schwand das Engagement allmählich. Böblingen hatte den Plan der Kompostieranlage (vorerst!) aufgegeben und die Stadt Herrenberg versprach, ihre Kläranlage technisch so nachzubessern, dass Geruchsbelästigungen in der Folgezeit erwartbar klein blieben. So suchte man nach neuen Betätigungsfeldern, insbesondere wollte man nicht immer nur gegen etwas sein, sondern lieber für etwas. Eines der ersten Entringer Mitglieder, Erich Langermann, sollte hierfür den Zündfunken liefern: er begeisterte insbesondere die Altinger Mitglieder für den Bau eines großen Spielplatzes an der Ammer.
Dieses Projekt, das später weit über Ammerbuch hinaus bekannt werden sollte, beschäftigte eine Gruppe von Mitgliedern, immer wieder tatkräftig unterstützt von der Altinger Chorvereinigung und der Altinger Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr, über mehrere Jahre. Erich Langermann konnte auf diesem Spielplatz viele seiner richtungweisenden Ideen umsetzen und erstmals in die damals allgemein noch sehr aufgeräumte und eher schlichte Spielplatzmöblierung ein Flair von Abenteuerspielplatz bringen. Alles, was mit Bewegung, Geschicklichkeit und Rumtoben zu tun hatte wurde von den Kindern begeistert angenommen und wurde daher später von vielen Spielgeräteherstellern mit ebensolcher Begeisterung in deren Programm übernommen, im Allgemeinen jedoch ohne einen Hinweis auf Erich Langermanns geistige Urheberschaft. Auf irgendeiner Mitgliederversammlung in den späten siebziger Jahren schlug dann die damalige Vorstandsfrau Hildegard Cancik aus Reusten mit großer Euphorie vor, sich einem neuen Projekt zuzuwenden: einem Heimatmuseum, das ihrer Vorstellung nach einen passenden Ort in der Reustener Zehntscheuer finden könnte. Langsam lief diese Aktivität an und erschien wohl erst Anfang der achtziger Jahre in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Zehntscheuer in Reusten war damals noch vom Bauhof u.a. mit dem gemeindlichen Salzlager belegt und die übrigen Lagerflächen waren kleinteilig an Privatpersonen verpachtet, etwaige Sammelstücke konnten dort also vorerst nicht gelagert werden. So kam es, dass diese Aktion zunächst von einer permanenten Raumsuche geprägt war, Räume oft nur vorübergehend zur Verfügung standen und Sammelstücke öfters umgezogen werden mussten. Eines der größten Sammelstücke, die fahrbare Ködel&Böhm-Dreschmaschine, die zuvor jahrzehntelang in Breitenholz und der näheren Umgebung ihren Dienst getan hatte, war beispielweise ganz kurz in der Reustener Zehntscheuer, dann in den Gebäuden des heutigen Bauhofs und schließlich in der Poltringer Schlossscheuer stationiert. Aber auch Räumlichkeiten in Altingen und Pfäffingen waren vorübergehende Lagerorte für den immer größer werdenden Fundus an Sammelstücken. Der Fundus wuchs, aber das Sammeln war eine überaus staubige Angelegenheit: häufig wurde man von älteren Menschen angesprochen, man könne einige interessante Stücke aus dem bäuerlichen Arbeitsleben erhalten, aber nur, wenn man den ganzen „alten Lumpengruscht“ aus der Scheune auch noch mitnehmen würde. Manches interessante Sammelstück verbarg sich in diesem „alten Lumpengruscht“, aber vieles war auch kaputt und musste entsorgt werden. Der Preis für einige sehr schöne Sammelstücke.
Aber nicht, dass es den Sammlern noch langweilig werden sollte: Anfang der neunziger Jahre war die Zeit der großen Müllvermeidung. Die Deponien waren voll, Müll wurde verbrannt (mit z.T. sehr giftigen Abgasbestandteilen) und die Idee der Müllkompostierung erwachte zu neuem Leben.
Der Kreis Böblingen erinnerte sich des kleinen Stücks Land, das er (aus Böblinger Sicht) jenseits der Autobahn 81 noch hatte und plante erneut eine Müllkompostieranlage westlich von Altingen. Welch ein Déjà-vus! Protesterprobt organisierte der Bürgerverein wieder eine Bürgeraktion gegen diese Planungen. Mit dem Ergebnis, dass dem zuständigen Sachbearbeiter beim Regierungspräsidium Stuttgart innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist sage und schreibe 1500 rechtsgültige Einsprüche übergeben werden konnten. Was diesen zu der Bemerkung veranlasste: „das ist ja fast wie bei einem Kernkraftwerk“. Auch diese Pläne ließ der Kreis Böblingen im Endeffekt wieder fallen. Vielleicht auch wegen der großen Wucht des Ammertäler Protestpotentials. Für die damaligen Akteure jedenfalls eine willkommene Abwechslung von der staubigen Welt der Museumssammelstücke.
47 Jahre nach seiner Gründung kann der Bürgerverein auf eine wechselvolle, aber doch alles in allem wirklich erfolgreiche Zeit zurückblicken. 2018 und 19 wurden von Meinrad Schmid, einem der Gründungsmitglieder, die Sammelstücke in der Poltringer Schlossscheuer gereinigt, sortiert und so aufgebaut, dass man sie heute trefflich bestaunen kann. Bestaunen auch deswegen, weil die im Scheunenstaub ergraute Mannschaft von Sammlern fast aus den Augen verloren hatte, wie viele z.T. sehr gut erhaltene Sachen am Ende doch gesammelt wurden.
Vor dem Hintergrund, dass ehrenamtliches Engagement in Ammerbuch zwar groß ist, sich aber im Allgemeinen doch eher auf den jeweils eigenen Ortsteil beschränkt(e), war es immer schwierig, ein „überörtliches“ ammerbuchweites Projekt voranzubringen. 50 Jahre nach der Gründung der Gemeinde Ammerbuch sollte diese Eigenbrötlerei jedoch deutlich rückläufig sein. Den heutigen Akteuren des Bürgervereins ist daher sehr zu wünschen, dass sie mit ihrer erneuten Initiative für ein Heimatmuseum nach Kräften unterstützt werden. Es ist ein großartiges Projekt, das sie sich vorgenommen haben und es wäre schade, diese beeindruckende Sammlung wieder einstauben zu lassen.